Richard Strauss Rosenkavalier - Akt 2 Lyrics

ZWEITER AUFZUG

Saal bei Herrn von Faninal. Mitteltüre nach dem Vorsaal. Türen links und rechts. Rechts auch ein grosses Fenster. Zu beiden Seiten der Mitteltüre Stühle an der Wand. In den abgerundeten Ecken jederseits eine kleine unsichtbare Türe.

Faninal, Sophie, Marianne Leitmetzerin, die Duenna, der Haushofmeister, Lakaien.

FANINAL
im Begriff, von Sophie Abschied zu nehmen
Ein ernster Tag, ein grosser Tag! Ein Ehrentag, ein heilger Tag!

SOPHIE
küsst ihm die Hand

MARIANNE
am Fenster
Der Josef fahrt vor mit der neuen Kaross', hat himmelblaue Vorhäng, vier Apfelschimmel sind dran.

HAUSHOFMEISTER
nicht ohne Vertraulichkeit zu Faninal
Ist höchste Zeit, dass Euer Gnaden fahren. Der hochadelige Bräutigamsvater, sagt die Schicklichkeit, muss ausgefahren sein, bevor der silberne Rosenkavalier vorfahrt. Wär' nicht geziemend, dass vor der Tür sie sich begegneten.
Lakaien öffnen die Tür.

FANINAL
In Gottes Namen. Wenn ich wiederkomm', so führ' ich deinen Herrn Zukünftigen bei der Hand.

MARIANNE
Den edlen und gestrengen Herrn von Lerchenau!

FANINAL
geht

SOPHIE
vorgehend, allein

MARIANNE
am Fenster
Jetzt steigt er ein. Der Xaver und der Anton springen hinten auf. Der Stallpag' reicht dem Josef seine Peitsch'n. Alle Fenster sind voller Leut'.

SOPHIE
In dieser feierlichen Stunde der Prüfung, da du mich, o mein Schöpfer, über mein Verdienst erhöhen und in den heiligen Ehestand führen willst, (sie hat grosse Mühe, gesammelt zu bleiben) opfr' ich dir in Demut, mein Herz in Demut auf. Die Demut in mir zu erwecken, muss ich mich demütigen.

MARIANNE
sehr aufgeregt
Die halbe Stadt ist auf die Füss'. Aus dem Seminari schaun die Hochwürdigen von die Balkoner. Ein alter Mann sitzt oben auf der Latern'.

SOPHIE
sammelt sich mühsam
Demütigen und recht bedenken: die Sünde, die Schuld, die Niedrigkeit, die Verlassenheit, die Anfechtung! Die Mutter ist tot und ich bin ganz allein. Für mich selber steh' ich ein. Aber die Ehe ist ein heiliger Stand.

MARIANNE
entzückt ausrufend
Er kommt, er kommt in zwei Karossen. Die erste ist vierspännig, die ist leer. In der zweiten, sechsspännigen, sitzt er selber, der Rosenkavalier.

SOPHIE
ziemlich fassungslos
Ich will mich niemals meines neuen Standes überheben -
die Stimmen der Lauffer vor Octavians Wagen unten auf der Gasse: Rofrano, Rofrano!
- mich überheben.
sie hält es nicht aus
Was rufen denn die?

MARIANNE
Den Namen vom Rosenkavalier und alle Namen von deiner neuen fürstlichn Verwandschaft rufen's aus. jetzt rangier'n sich die Bedienten. Die Lakaien springen rückwärts ab!

Die Stimmen der Lauffer zu dreien näher: Rofrano! Rofrano!

SOPHIE
Werden sie mein' Bräutigam sein' Namen auch so ausrufen, wenn er angefahren kommt!?

Die Stimmen der Lauffer dicht unter dem Fenster: Rofrano! Rofrano!

MARIANNE
ganz begeistert
Sie reissen den Schlag auf! Er steigt aus! Ganz in Silberstück' ist er angelegt, von Kopf zu Fuss. Wie ein heil'ger Engel schaut er aus.

Zwei Faninalsche Lakaien haben schnell die Mitteltür aufgetan.

SOPHIE
Herrgott im Himmel! Ich weiss, der Stolz ist eine schwere Sünd'. Aber jetzt kann ich mich nicht demütigen. Jetzt geht's halt nicht! Denn das ist ja so schön, so schön!

Währenddem ist Octavians Dienerschaft in seinen Farben: Weiss mit Blassgrün rasch eingetreten. Die Lakaien, die Haiducken mit krummen ungarischen Säbeln an der Seite, die Lauff er in weissem sämischem Leder mit grünen Straussenfedern. Dicht hinter diesem ein Neger, der Octavians Hut, und ein anderer Lakai, der das Safflanfutteral für die silberne Rose in beiden Händen trägt. Dann Octavian, die Rose in der Rechten. Er geht mit adeligem Anstand auf Sophie zu, aber sein Knabengesicht ist von seiner Schüchternheit gespannt und gerötet. Sophie ist vor Aufregung über seine Erscheinung und die Zeremonie leichenblass. Sie stehen einander gegenüber und machen sich wechselweise durch ihre Verlegenheit und Schönheit noch verwirrter.

OCTAVIAN
etwas stockend
Mir ist die Ehre widerfahren, dass ich der hoch- und wohlgeborenen Jungfer Braut, in meines Herrn Vetters Namen, dessen zu Lerchenau Namen, die Rose seiner Liebe überreichen darf.

SOPHIE
nimmt die Rose
Ich bin Euer Liebden sehr verbunden. - Ich bin Euer Liebden in aller Ewigkeit verbunden. -
eine Pause der Verwirrung

SOPHIE
indem sie an der Rose riecht
Hat einen starken Geruch. Wie Rosen, wie lebendige.

OCTAVIAN
Ja, ist ein Tropfen persischen Rosenöls darein getan.

SOPHIE
Wie himmlische, nicht irdische, wie Rosen vom hochheiligen Paradies. Ist Ihm nicht auch?

OCTAVIAN
neigt sich über die Rose, die sie ihm hinhält; dann richtet er sich auf und sieht auf ihren Mund

SOPHIE
Ist wie ein Gruss vom Himmel. Ist bereits zu stark, als dass mans ertragen kann. Zieht einen nach, als lägen Stricke um das Herz.
leise
Wo war ich schon einmal und war so selig?

OCTAVIAN
zugleich mit ihr wie unbewusst und noch leiser
Wo war ich schon einmal und war so selig?

SOPHIE
mit Ausdruck
Dahin muss ich zurück! und müsst' ich völlig sterben auf dem Weg! Allein ich sterb' ja nicht. Das ist ja weit. Ist Zeit und Ewigkeit in einem sel'gen Augenblick, den will ich nie vergessen bis an meinen Tod.

OCTAVIAN
zugleich mit ihr
Ich war ein Bub', da hab' ich die noch nicht gekannt. Wer bin denn ich? Wie komm' denn ich zu ihr? Wie kommt denn sie zu mir? Wär' ich kein Mann, die Sinne möchten mir vergehn. Das ist ein seliger Augenblick, den will ich nie vergessen bis an meinen Tod.

Indessen stand die Livree Octavians rückwärts regungslos. Ebenso die Faninalschen Bedienten mit dem Haushofmeister. Der Lakai Octavians übergibt jetzt das Futteral an Marianne. Sophie schüttelt ihre Versunkenheit ab und reicht die Rose der Marianne, die sie ins Futteral schliesst. Der Lakai mit dem Hut tritt von rückwärts an Octavian heran und reicht ihm den Hut. Die Livree Octavians tritt ab, während gleichzeitig die Faninalschen Bedienten drei Stühle in die Mitte tragen, zwei für Octavian und Sophie, einen rück- und seitwärts für die Duenna. Zugleich trägt der Faninalsche Haushofmeister das Futteral mit der Rose durch die Tür rechts ab. Sofort treten auch die Faninalschen Bedienten durch die Mitteltür ab. Sophie und Octavian stehen einander gegenüber, einigermassen zur gemeinen Welt zurückgekehrt, aber befangen. Auf eine Handbewegung Sophies nehmen sie beide Platz, desgleichen die Duenna, im gleichen Augenblick, wo der Haushofmeister unsichtbar die Tür rechts von aussen zuschliesst.

SOPHIE
Ich kenn' Ihn schon recht wohl, mon Cousin!

OCTAVIAN
Sie kennt mich, ma Cousine?

SOPHIE
Ja, aus dem Buch, wo die Stammbäumer drin sind, dem Ehrenspiegel Osterreichs.
Das nehm' Ich immer abends mit ins Bett und such' mir meine zukünft'ge, gräflich' und fürstlich' Verwandtschaft drin zusammen.

OCTAVIAN
Tut Sie das, ma Cousine?

SOPHIE
Ich weiss, wie alt Euer Liebden sind: Siebzehn Jahr' und zwei Monat. Ich weiss all Ihre Taufnamen: Octavian, Maria, Ehrenreich, Bonaventura, Fernand, Hyacinth.

OCTAVIAN
So gut weiss ich sie selber nicht einmal.

SOPHIE
Ich weiss noch was.
errötet

OCTAVIAN
Was weiss Sie noch, sag' Sie mir's, ma Cousine.

SOPHIE
ohne ihn anzusehen
Quinquin.

OCTAVIAN
lacht
Weiss Sie den Namen auch?

SOPHIE
So nennen Ihn halt seine guten Freunde und schöne Damen, denk' ich mir, mit denen Er recht gut ist.
kleine Pause, mit Naivität
Ich freu' mich aufs Heiraten! Freut Er sich auch darauf ? Oder hat Er leicht noch gar nicht dran gedacht, mon Cousin? Denk' Er: Ist doch was andres als der ledige Stand.

OCTAVIAN
leise, während sie spricht!
Wie schön sie ist!

SOPHIE
Freilich, Er ist ein Mann, da ist Er, was Er bleibt. Ich aber brauch' erst einen Mann, dass ich was bin. Dafür bin ich dem Mann dann auch gar sehr verschuldet.

OCTAVIAN
wie oben
Mein Gott, wie schön und gut sie ist. Sie macht mich ganz verwirrt.

SOPHIE
Ich werd' ihm keine Schand' nicht machen und meinem Rang und Vortritt. Täte eine, die sich besser dünkt als ich, ihn mir bestreiten bei einer Kindstauf' oder Leich', so will ich, wenn es sein muss, mit Ohrfeigen ihr beweisen, dass ich die Vornehmere bin und lieber alles hinnehme wie Kränkung oder Ungebühr.

OCTAVIAN
lebhaft
Wie kann Sie denn nur denken, dass man Ihr mit Ungebühr begegnen wird, da Sie doch immer die Schönste, die Allerschönste sein wird.

SOPHIE
Lacht Er mich aus, mon cousin?

OCTAVIAN
Wie, glaubt Sie das von mir?

SOPHIE
Er darf mich auslachen, wenn Er will. Von Ihm lass ich alles mir gerne geschehn, weil mir nie noch ein junger Kavalier von Nähe oder Weitem also wohlgefallen hat wie Er. Jetzt aber kommt mein Herr Zukünftiger.

Die Tür rückwärts geht auf. Alle drei erheben sich. Sophie und Marianne treten nach rechts. Octavian nach links vorne. Faninal führt den Baron zeremoniös über die Schwelle und auf Sophie zu, indem er ihm den Vortritt lässt. Die Lerchenausche Livree folgt auf Schritt und Tritt: zuerst der Almosenier mit dem Sohn und Leibkammerdiener. Dann folgt der Leibjäger mit einem ähnlichen Lümmel, der ein Pflaster über der eingeschlagenen Nase trägt, und noch zwei von der gleichen Sorte, vom Rübenacker her in die Livree gesteckt. Alle tragen wie ihr Herr Myrtensträusschen. Die zwei Faninalschen Boten bleiben im Hintergrunde.

FANINAL
Ich präsentiere Euer Gnaden Dero Zukünf tige.

BARON
macht die Reverenz, dann zu Faninal
Deliziös! Mach' Ihm mein Kompliment.
er küsst Sophie die Hand, gleichsam prüfend
Ein feines Handgelenk. Darauf halt' ich gar viel. Ist unter Bürgerlichen eine seltne Distinktion.

OCTAVIAN
halblaut
Es wird mir heiss und kalt.

FANINAL
Gestatten, dass ich die getreue Jungfer Marianne Leitmetzerin -
Marianne präsentierend, die dreimal tief knickst

BARON
indem er unwillig abwinkt
Lass Er das weg. Begrüss' Er jetzt mit mir meinen Herrn Rosenkavalier.

Er tritt mit Faninal auf Octavian zu, unter Reverenz, die Octavian erwidert. Das Lerchenausche Gefolge kommt endlich zum Stillstand, nachdem es Sophie fast umgestossen, und retiriert sich um ein paar Schritte nach rechts rückwärts.

SOPHIE
mit Marianne rechtsstehend, halblaut
Was sind das für Manieren? Ist da leicht ein Rosstauscher und kommt ihm vor, er hätt' mich eingekauft?

MARIANNE
ebenso
Ein Kavalier hat halt ein ungezwungenes, leutseliges Benehmen. Sag' dir vor, wer er ist und zu was er dich macht, so werden dir die Faxen gleich vergehn.

BARON
während des Aufführens zu Faninal
Ist gar zum Staunen, wie der junge Herr jemand Gewissem ähnlich sieht. Hat ein b______l, recht ein saubres, zur Schwester.
Plump vertraulich
Ist kein Geheimnis unter Personen von Stand. Hab's aus der Fürstin eignem Mund, und weil der Faninal sozusagen jetzo zu der Verwandtschaft gehört! Mach' dir keine Depit darum, Rofrano, dass dein Vater ein Streichmacher war, befindet sich dabei in guter Kompanie, der selge Marchese. Ich selber exkludier' mich nicht. Seh', Liebden, schau' dir dort den Langen an, den Blonden, hinten dort. Ich will ihn nicht mit Fingern weisen, aber er sticht wohl hervor durch eine adelige Kontenance. Ist aber ein ganz besonderer Kerl. Sagt nichts, weil ich der Vater bin, hat's aber faustdick hinter den Ohren.

SOPHIE
während dessen
Jetzt lässt er mich so stehn, der grobe Ding. Und das ist mein Zukünftiger. Und blattersteppig ist er auch, o mein Gott!

MARIANNE
Na, wenn er dir von vorn nicht gefallt, du Jungfer Hochmut, so schau' ihn dir von rückwärts an, da wirst was sehn, was dir schon gefallen wird.

SOPHIE
Möcht' wissen, was ich da schon sehen werd'.

MARIANNE
ihr nachspottend
Möcht' wissen, was ich da schon sehen werd. Dass es ein kaiserlicher Kämmerer ist, den dir dein Schutzpatron als Herrn Gemahl spendiert hat. Das kannst sehn mit einem Blick.

Der Haushofmeister tritt verbindlich auf die Lerchenauschen Leute zu und führt sie ab. Desgleichen tritt die Faninalsche Livree ab bis auf zwei, welche Wein und Süssigkeiten servieren.

FANINAL
zum Baron
Belieben jetzt vielleicht? - ist ein alter Tokaier.
Octavian und Baron bedienen sich.

BARON
Brav, Faninal, Er weiss, was sich gehört. Serviert einen alten Tokaier zu einem jungen Mädel. Ich bin mit Ihm zufrieden.
zu Octavian
Musst denen Bagatelladeligen immer zeigen, dass nicht für unsresgleichen sich ansehen dürfen, muss immer was von Herablassung dabei sein.

OCTAVIAN
spitzig
Ich muss deine Liebden sehr bewundern. Hast wahrhaft grosse Weltmanieren. Könntst einen Ambassadeur vorstellen heut oder morgen.

BARON
derb
Ich hol'mir jetzt das Mädel her. Soll uns jetzt Konversation vormachen, damit ich seh', wie sie beschlagen ist.
geht hinüber, nimmt Sophie bei der Hand, führt sie mit sich

BARON
Eh bien! Nun plauder' Sie uns eins, mir und dem Vetter Taverl. Sag' Sie heraus, auf was Sie sich halt in der Eh' am meisten freut.
setzt sich, will sie halb auf seinen Schoss ziehen

SOPHIE
entzieht sich ihm
Wo denkt Er hin?

BARON
behaglich
Pah! Wo ich hindenk'! Komm' Sie da ganz nah zu mir, dann will ich Ihr erzählen, wo ich hindenk'.
gleiches Spiel, Sophie entzieht sich ihm heftiger

BARON
behaglich
Wär' Ihr leicht präferabel, dass man gegen Ihrer den Zeromonienmeister sollt' hervortun? Mit »mille pardons« und »devotion« und »Geh da weg« und »hab Respekt«?

SOPHIE
Wahrhaftig und ja gefiele mir das besser!

BARON
lachend
Mir auch nicht! Da sieht Sie! Mir auch ganz und gar nicht! Bin einer biedern offenherzigen Galanterie recht zugetan.

FANINAL
nachdem er Octavian den zweiten Stuhl angeboten hat, den dieser ablehnt, für sich
Wie ist mir denn! Da sitzt ein Lerchenau und karessiert in Ehrbarkeit mein Sopherl, als wär' sie ihm schon angetraut. Und da steht ein Rofrano, grad' als müsst's so sein - ein Graf Rofrano, sonsten nix - der Bruder vom Marchese Obersttruchsess.

OCTAVIAN
zornig für sich
Das ist ein Kerl, dem möcht' ich wo begegnen mit meinem Degen da, wo ihn kein Wächter schreien hört. ja, das ist alles, was ich möcht'.

SOPHIE
zum Baron
Ei, lass Er doch, wir sind nicht so vertraut!

BARON
zu Sophie
Geniert Sie sich leicht vor dem Vetter Taverl? Da hat Sie unrecht. Hör Sie, in Paris, wo doch die hohe Schul' ist für Manieren, gibts frei nichts, was unter jungen Eheleuten geschieht, wozu man nicht Einladungen liess ergehen zum Zuschauen, ja an den König selber.
Er wird immer zärtlicher, sie weiss sich kaum zu helfen.

FANINAL
für sich
Wär' nur die Mauer da von Glas, dass alle bürgerlichen Neidhammel von Wien uns könnten so en famille beisammen so sitzen sehn! Dafür wollt' ich mein Lerchenfelder Eckhaus geben, meiner Seel!

OCTAVIAN
wütend
Dass ich das Mannsbild sehen muss, so frech, so unverschämt mit ihr. Könnt' ich hinaus und fort von hier!

BARON
zu Sophie
Lass Sie die Flausen nur! Gehört doch jetzo mir! Geht all's recht! Sei Sie gut! Geht alles so wie am Schnürl!
halb für sich, sie kajolierend
Ganz meine Massen! Schultern wie ein Henderl! Hundsmager noch - das macht nichts, aber weiss mit einem Glanz darauf, wie ich ihn ästimier'! Ich hab' halt ja ein lerchenauisch Glück!

SOPHIE
reisst sich los und stampft auf

BARON
vergnügt
Ist Sie ein rechter Kapricenschädel.
auf und ihr nach
Steigt Ihr das Blut gar in die w___en, dass man sich die Hand verbrennt?

SOPHIE
rot und blass vor Zorn
Lass Er die Hand davon!

OCTAVIAN
in stummer Wut, zerdrückt das Glas, das er in der Hand hält, und schmeisst die Scherben zu Boden

MARIANNE
läuft mit Grazie zu Octavian hinüber, hebt die Scherben auf und raunt ihm mit Entzücken zu
Ist recht ein familiärer Mann, der Herr Baron! Man delektiert sich, was er all's für Einfälle hat, der Herr Baron!

BARON
dicht bei Sophie
Geht mir nichts darüber! Könnt' mich mit Schmachterei und Zärtlichkeit nicht halb so glücklich machen, meiner Seel'!

SOPHIE
scharf, ihm ins Gesicht
Ich denk' nicht dran, dass ich Ihn glücklich mach'!

BARON
gemütlich
Sie wird es tun, ob Sie daran wird denken oder nicht.

OCTAVIAN
für sich, blass vor Zorn
Hinaus! Hinaus! und kein Adieu! Sonst steh' ich nicht dafür, dass ich nicht was Verwirrtes tu'! Hinaus aus diesen Stuben! Nur hinaus!

Indessen ist der Notar mit dem Schreiber eingetreten, eingeführt durch Faninals Haushofmeister. Dieser meldet ihn dem Herrn von Faninal leise,- Faninal geht zum Notar nach rückwärts hin, spricht mit ihm und sieht einen vom Schreiber vorgehaltenen Aktenfaszikel durch.

SOPHIE
zwischen den Zähnen
Hat nie kein Mann dergleichen Reden nicht zu mir geführt! Möcht' wissen, was Ihm dünkt von mir und Ihm? Was ist Er denn zu mir?

BARON
gemütlich
Wird kommen über Nacht, dass Sie ganz sanft wird wissen, was ich bin zu Ihr. Ganz wie's im Liedel heisst - kennt Sie das Liedel? Lalalalala -
recht gefühlvoll
Wie ich dein alles werde sein! Mit mir, mit mir keine Kammer dir zu klein, ohne mich, ohne mich j eder Tag dir so bang,
frech und plump
mit mir, mit mir keine Nacht dir zu lang?

SOPHIE
da er sie fester an sich drückt, reisst sich los und stösst ihn heftig zurück

MARIANNE
zu ihr eilend
Ist recht ein familiärer Mann, der Herr Baron! Man delektiert sich, was er all's für Einfäll' hat!
krampfhaft in Sophie hineinredend
Was er all's für Einfäll' hat, der Herr Baron!

OCTAVIAN
ohne hinzusehen, und doch sieht er alles, was vorgeht
Ich steh' auf glüh'nden Kohlen! Ich fahr' aus meiner Haut! Ich büss' in dieser einen Stund' all meine Sünden ab!

BARON
für sich, sehr vergnügt
Wahrhaftig und ja, ich hab' halt ein lerchenauisch Glück! Gibt gar nichts auf der Welt, was mich so enflammiert und also vehement verjüngt als wie ein rechter Trotz!
sowie er den Notar erblickt, eifrig zu Sophie, ohne zu ahnen, was in ihr vorgeht
Dort gibt's Geschäfte jetzt, muss mich dispensieren: bin dort von Wichtigkeit. Indessen der Vetter Taverl leistet Ihr Gesellschaft!

FANINAL
Wenn es jetzt belieben tät', Herr Schwiegersohn!

BARON
eifrig
Natürlich wird's belieben.
im Vorbeigehen zu Octavian, den er vertraulich anfasst
Hab' nichts dawider, wenn du ihr möchtest Äugerl machen, Vetter, jetzt oder künftighin. Ist noch ein rechter Rühr-nicht-an. Betracht's als förderlich, je mehr sie degourdiert wird. Ist wie bei einem jungen ungerittenen Pferd. Kommt all's dem Angetrauten letzterdings zugut', wofern er sein eh'lich Privilegium zunutz zu machen weiss.

Er geht nach links. Der Diener, der den Notar einliess, hat indessen die Türe links geöffnet. Faninal und der Notar schicken sich an, hineinzugehen. Der Baron misst Faninal mit dem Blick und bedeutet ihm, drei Schritte Distanz zu nehmen. Faninal tritt devot zurück. Der Baron nimmt den Vortritt, vergewissert sich, dass Faninal drei Schritte Abstand hat und geht gravitätisch durch die Tür links ab. Faninal hinter ihm, dann der Notar, dann der Schreiber. Der Bediente schliesst die Tür links und geht ab, lässt aber die Flügeltüre nach dem Vorsaal offen. Der servierende Diener ist schon früher abgegangen.

SOPHIE
rechts, steht verwirrt und beschämt

MARIANNE
neben ihr, knickst nach der Türe hin, bis sie sich schliesst

OCTAVIAN
mit einem Blick hinter sich, gewiss zu sein, dass die anderen abgegangen sind, tritt schnell zu Sophie hinüber, bebend vor Aufregung
Wird Sie das Mannsbild da heiraten, ma cousine?

SOPHIE
einen Schritt auf ihn zu, leise
Nicht um die Welt!
mit einem Blick auf die Duenna
Mein Gott, wär' ich allein mit Ihm, dass ich Ihn bitten könnt'! dass ich Ihn bitten könnt'!

OCTAVIAN
halblaut, schnell
Was ist's, das Sie mich bitten möcht'? Sag Sie mir's schnell!

SOPHIE
noch einen Schritt näher zu ihm
O mein Gott, dass Er mir halt hilft! Und Er wird mir nicht helfen wollen, weil es halt sein Vetter ist.

OCTAVIAN
heftig
Nenn ihn Vetter aus Höflichkeit; Gott sei Lob und Dank, hab' ihn im Leben vor dem gestrigen Tage nie gesehen!

Quer durch den Vorsaal flüchten einige von den Mägden des Hauses, denen die Lerchenauschen Bedienten auf den Fersen sind. Der Leiblakai und der mit dem Pflaster auf der Nase jagen einem hübschen jungen Mädchen nach und bringen sie fast an der Schwelle zum Salon bedenklich in die Enge.

DER FANINALSCHE HAUSHOFMEISTER
kommt verstört hereingelaufen
Die Lerchenauischen sind voller Branntwein gesoffen und gehn aufs Gesinde los zwanzigmal ärger als Türken und Kroaten!

MARIANNE
Hol' Er von unseren Leuten, wo sind denn die?
Läuft ab mit dem Haushofmeister, sie entreissen den beiden Zudringlichen ihre Beute und führen das Mädchen ab; alles verliert sich, der Vorsaal bleibt leer.

SOPHIE
nun, da sie unbeobachtet ist, mit freier Stimme
Zu Ihm hätt' ich ein Zutrau'n, mon cousin, so wie zu niemand auf der Welt, dass Er mir könnte helfen, wenn Er nur den guten Willen hätt!

OCTAVIAN
Erst muss Sie sich selber helfen, dann hilf ich Ihr auch. Tu' Sie das erst für sich, dann tu' ich was für Sie!

SOPHIE
zutraulich, fast zärtlich
Was ist denn das, was ich zuerst muss tun?

OCTAVIAN
leise
Das wird Sie wohl wissen!

SOPHIE
den Blick unverwandt auf ihn
Und was ist das, was Er für mich will tun? Nun sag' Er mir's!

OCTAVIAN
entschlossen
Nun muss Sie ganz allein für uns zwei einstehn!

SOPHIE
Wie? Für uns zwei? O sag Er's noch einmal.

OCTAVIAN
leise
Für uns zwei!

SOPHIE
mit hingegebenem Entzücken
Ich hab' im Leben so was Schönes nicht gehört!

OCTAVIAN
stärker
Für sich und mich muss Sie sich wehren und bleiben -

SOPHIE
Bleiben?

OCTAVIAN
Was Sie ist.

SOPHIE
nimmt seine Hand, beugt sich darüber, küsst sie schnell, eh er sie ihr entziehen kann, er küsst sie auf den Mund

OCTAVIAN
indem er sie, die sich an ihn schmiegt, in den Armen hält, zärtlich
Mit Ihren Augen voll Tränen kommt Sie zu mir, damit Sie sich beklagt. Vor Angst muss Sie an mich sich lehnen, Ihr armes Herz ist ganz verzagt. Und ich muss jetzt als Ihren Freund mich zeigen und weiss noch gar nicht, wie! Mir ist so selig, so eigen, dass ich dich halten darf; Gib Antwort, aber gib sie mit Schweigen: Bist du von selber so zu mir gekommen? ja oder nein? ja oder nein? Du musst es nicht mit Worten sagen - Hast du es gern getan? Sag, oder nur aus Not? Nur aus Not so alles zu mir hergetragen, dein Herz, dein liebliches Gesicht? Sag', ist dir nicht, dass irgendwo in irgendeinem schönen Traum das einmal schon so war? Spürst du's wie ich? Sag'; spürst du's so wie ich? Mein Herz und Seel' wird bei Ihr bleiben, wo Sie geht und steht, bis in alle Ewigkeit.

SOPHIE
gleichzeitig zu ihm
Ich möchte mich bei Ihm verstecken und nichts mehr wissen von der Welt. Wenn Er mich so in Seinen Armen hält, kann mich nichts Hässliches erschrecken. Da bleiben möcht' ich, da! Und schweigen, und was mir auch gescheh', geborgen wie der Vogel in den Zweigen, stillstehn und spüren: Er ist in der Näh'! Mir müsste angst und bang im Herzen sein, statt dessen fühl' ich nur Freud' und Seligkeit und keine Pein, ich könnt' es nicht mit Worten sagen! Hab' ich was Unrechtes getan? Ich war halt in der Not! Da war Er mir nah! Da war es Sein Gesicht, Sein' Augen jung und licht, auf das ich mich gericht, Sein liebes Gesicht, und seitdem weiss ich halt nichts mehr von mir. Bleib du nur bei mir, o bleib bei mir. - Er muss mir Seinen Schutz vergönnen, was Er will, werd' ich können; bleib' Er nur bei mir. Er muss mir Seinen Schutz vergönnen -

Aus den Türen in den rückwärtigen Ecken sind links Valzacchi, rechts Annina lautlos spähend herausgeglitten. Lautlos schleichen sie, langsam, auf den Zehen näher. Octavian zieht Sophie an sich, küsst sie auf den Mund; in diesem Augenblick sind die Italiener dicht hinter ihnen, ducken sich hinter den Lehnsesseln; jetzt springen sie vor, Annina packt Sophie, Valzacchi fasst Octavian.

VALZACCHI UND ANNINA
zu zweien schreiend
Herr Baron von Lerchenau! - Herr Baron von Lerchenau! -

OCTAVIAN
springt zur Seite nach links

VALZACCHI
der Mühe hat ' ihn zu halten, atemlos zu Annina
Lauf und 'ole Seine Gnade! Snell, nur snell, ik muss 'alten diese 'err!

ANNINA
Lass ich die Fräulein aus, lauft sie mir weg!

ZU ZWEIEN
Herr Baron von Lerchenau, Herr Baron von Lerchenau! Komm' zu sehn die Fräulein Braut! MiteinejungeKavalier! Kommen eilig, kommen hier! Ecco!

Baron tritt aus der Tür links. Die Italiener lassen ihre Opfer los, springen zur Seite, verneigen sich vor dem Baron mit vielsagender Gebärde.

SOPHIE
schmiegt sich ängstlich an Octavian

BARON
die Arme über die Brust gekreuzt, betrachtet sich die Gruppe. Unheilschwangere Pause
Eh bien, Mamsell, was hat Sie mir zu sagen?

SOPHIE
schweigt

BARON
der durchaus nicht ausser Fassung ist
Nun, resolvier' Sie sich!

SOPHIE
Mein Gott, was soll ich sagen, Er wird mich nicht verstehn!

BARON
gemütlich
Das werden wir ja sehn!

OCTAVIAN
einen Schritt auf den Baron zu
Eu'r Liebden muss ich halt vermelden, dass sich in Seiner Angelegenheit was Wichtiges verändert hat!

BARON
gemütlich
Verändert? Ei, nicht dass ich wüsst't

OCTAVIAN
Darum soll Er es jetzt erfahren! Die Fräulein -

BARON
Ei, Er ist nicht faul! Er weiss zu profitieren, mit Seine siebzehn Jahr'! Ich muss Ihm gratulieren!

OCTAVIAN
Die Fräulein -

BARON
halb zu sich
Ist mir ordentlich, ich seh' mich selber! Muss lachen über den Filou, den pudeljungen.

OCTAVIAN
Die Fräulein -

BARON
Ei! Sie ist wohl stumm und hat Ihn angestellt für ihren Advokaten!

OCTAVIAN
Die Fräulein -
Er hält abermals inne, wie um Sophie sprechen zu lassen.

SOPHIE
angstvoll
Nein! Nein! Ich bring' den Mund nicht auf. Sprech' Er für mich!

OCTAVIAN
entschlossen
Die Fräulein -

BARON
ihm nachspottend
Die Fräulein, die Fräulein! Die Fräulein! Die Fräulein! Ist eine Kreuzerkomödi wahrhaftig! jetzt echappier' Er sich, sonst reisst mir die Geduld.

OCTAVIAN
sehr bestimmt
Die Fräulein, kurz und gut, die Fräulein mag Ihn nicht.

BARON
gemütlich
Sei Er da ausser Sorg'. Wird schon lernen mich mögen.
auf Sophie zu
Komm' Sie da jetzt hinein: wird gleich an Ihrer sein, die Unterschrift zu geben.

SOPHIE
zurücktretend
Um keinen Preis geh' ich an Seiner Hand hinein! Wie kann ein Kavalier so ohne Zartheit sein!

OCTAVIAN
jetzt zwischen den beiden anderen und der Tür links sehr scharf
Versteht Er deutsch: das Fräulein hat sich resolviert. Sie will Euer Gnaden ungeheirat' lassen in Zeit und Ewigkeitl

BARON
mit der Miene eines Mannes, der es eilig hat
Mancari! Jungfernred' ist nicht gehaun und nicht gestochen! Verlaub' Sie jetzt!
nimmt sie bei der Hand

OCTAVIAN
sich breit vor die Tür stellend
Wenn nur so viel in Ihm ist von einem Kavalier, so wird Ihm wohl genügen, was Er g'hört hat von mir!

BARON
tut, als hörte er ihn nicht, zu Sophie
Gratulier' Sie sich nur, dass ich ein Aug' zudrück'! Daran mag Sie erkennen, was ein Kavalier ist!
Er macht Miene, mit ihr an Octavian vorbeizukommen.

OCTAVIAN
schlägt an seinen Degen
Wird doch wohl ein Mittel geben, Seinesgleichen zu bedeuten!

BARON
der Sophie nicht loslässt, sie jetzt vorschiebt gegen die Tür
Ei schwerlich, wüsste nicht!

OCTAVIAN
losbrechend
Ich acht' Ihn mit nichten für einen Kavalier!

BARON
mit Grandezza
Wahrhaftig wüsst'ich nicht, dass Er mich respektiert, und wär'Er nicht verwandt, es wär' mir jetzo schwer, dass ich mit Ihm nicht übereinander käm'!
Er macht Miene, Sophie mit scheinbarer Unbef angenheit gegen die Mitteltür zu führen, nachdem ihm die Italiener lebhafte Zeichen gegeben haben, diesen Weg zu nehmen.
Komm' Sie! Gehn zum Herrn Vater dort hinüber! Ist bereits der nähere Weg!

OCTAVIAN
Ich hoff', Er kommt vielmehr jetzt mit mir hinters Haus, ist dort ein recht bequemer Garten.

BARON
setzt seinen Weg fort, mit gespielter Unbefangenheit Sophie an der Hand nach jener Richtung zu führen bestrebt, über die Schulter zurück
Bewahre. Wär' mir jetzo nicht genehm. Lass um all's den Notari nicht warten. Wär' gar ein Affront für die Jungfer Braut!

OCTAVIAN
fasst ihn am Ärmel
Beim Satan, Er hat eine d___e Haut! Auch dort die Tür passiert Er mir nicht! Ich schrei's Ihm jetzt in. Sein Gesicht: ich acht' Ihn für einen Filou, einen Mitgiftjäger, einen durchtriebenen Lügner und schmutzigen Bauer, einen Kerl ohne Anstand und Ehr'! Und wenn's sein muss, geb' ich Ihm auf dem Fleck die Lehr'!

SOPHIE
hat sich vom Baron losgerissen und ist hinter Octavian zurückgesprungen. Sie stehen links, ziemlich vor der Tür.

BARON
steckt zwei Finger in den Mund und tut einen gellenden Pfiff. Dann:
Was so ein Bub' in Wien mit siebzehn Jahr schon für ein vorlaut Mundwerk hat!
Er sieht sich nach der Mitteltür um.
Doch Gott sei Lob, man kennt in hiesiger Stadt den Mann, der vor Ihm steht, halt bis hinauf zu kaiserlicher Majestät! Man ist halt, was man ist, und braucht's nicht zu beweisen. Das lass Er sich gesagt sein und geb' mir den Weg da frei.
Die Lerchenausche Livree ist vollzählig in der Mitteltür aufmarschiert; er vergewissert sich dessen durch einen Blick nach rückwärts. Er rückt jetzt gegen die beiden vor, entschlossen, sich Sophiens und des Ausgangs zu bemächtigen.
Wär' mir wahrhaftig leid, wenn meine Leut' da hinten -

OCTAVIAN
wütend
Ah, untersteh' Er sich, Seine Bedienten hineinzumischen in. unsern Streit! Jetzt zieh' Er oder gnad' Ihm Gott!
er zieht

Die Lerchenauschen, die schon einige Schritte vorgerückt waren, werden durch diesen Anblick einigermassen unschlüssig und stellen ihren Vormarsch ein.

BARON
tut einen Schritt, sich Sophiens zu bemächtigen

OCTAVIAN
schreit ihn an
Zum Satan, zieh' Er oder ich stech' Ihn nieder!

SOPHIE
Ach Gott, was wird denn jetzt geschehn?

BARON
retiriert etwas
Vor einer Dame, pfui! So sei Er doch gescheit!

OCTAVIAN
fährt wütend auf ihn los

BARON
zieht, fällt ungeschickt aus und hat schon die Spitze von Octavians Degen im Oberarm. Die Lerchenauschen stürzen vor.

BARON
indem er den Degen fallen lässt
Mord! Mord! Mein Blut! Zu Hilfe! Mörder! Mörder! Mörder!

Die Diener stürzen alle zugleich auf Octavian los. Dieser springt nach rechts hinüber und hält sie sich vom Leib, indem er seinen Degen blitzschnell um sich kreisen lässt. Der Almosenier, Valzacchi und Annina eilen auf den Baron zu, den sie stützen und auf einen der Stühle in der Mitte niederlassen.

BARON
von ihnen umgeben und dem Publikum verstellt
Ich hab' ein hitzig' Blut! Um Ärzt', um Leinwand! Verband her! Um Polizei! Ich verblut' mich auf eins, zwei, drei! Aufhalten den! Um Polizei! Um Polizei!

DIE LERCHENAUSCHEN
indem sie mit mehr Ostentation als Entschlossenheit auf Octavian eindringen
Den haut's z'samm! den haut's z'samml Spinnweb'her! Feuerschwamm! Reisst's ihm den Spadi weg! Schlagt's ihn tot auf'm Fleck!

Die sämtliche Faninalsche Dienerschaft, auch das weibliche Hausgesinde, Küchenpersonal, Stallpagen sind zur Mitteltür hereingeströmt.

ANNINA
auf sie zu, haranguierend
Der junge Kavalier und die Fräulein Braut, versteht's? waren im Geheimen schon recht vertraut, versteht's?

Valzacchi und der Almosenier ziehen dem Baron, der fortwährend stöhnt, seinen Rock aus.

DIE FANINALSCHE DIENERSCHAFT
G'stochen is einer? Wer? Der dort? Der fremde Herr? Welcher? der Bräutigam? Packt's den Duellant z'samm! Welcher is der Duellant? Der dort im weissen G'wand! Wer? Der Rosenkavalier?
Wegen was denn? Wegen ihr! Angepackt! Ni.ederg'haut! Wegen der Braut? Wegen der Liebschaft! Wütender Hass is! Schaufs nur die Fräulein an, Schaut's, wie sie blass is'!

MARIANNE
bahnt sich den Weg, auf den Baron zu; alle umgeben den Baron in dichten Gruppen
So ein fescher Herr! So ein gross Malheur! So ein schwerer Schlag! So ein Unglückstag!

OCTAVIAN
indem er sich seine Angreifer vom Leibe hält
Wer mir zu nah kommt, der lernt beten! Was da passiert ist, kann ich vertreten!

SOPHIE
links vorn
Alles geht durcheinand'! Furchtbar war's, wie ein Blitz, wie er's erzwungen hat! Ich spür' nur seine Hand, die mich umschlungen hat! Ich verspür' nichts von Angst, ich verspür nichts von Schmerz, nur das Feuer, seinen Blick durch und durch, bis ins Herz!

DIE LERCHENAUSCHEN
haben von Octavian abgelassen und gehen auf die ihnen zunächst stehenden Mägde handgreiflich los
Leinwand her! Verband machen! Fetzen aus'm Gewand machen! Vorwärts, keine Spanponaden! Leinwand her für Seine Gnaden!

SOPHIE
Octavian verzweifelt zurufend
Liebster!

OCTAVIAN
Sophie verzweifelt zurufend
Liebste!

Die Lerchenauschen machen Miene, sich zu diesem Zweck der Hemden der jüngeren und hübscheren Mägde zu bemächtigen. Handgemenge, bis Faninal beginnt. In diesem Augenblick kommt die Duenna, die fortgestürzt war, zurück, atemlos, beladen mit Leinwand; hinter ihr zwei Mägde mit Schwamm und Wasserbecken. Sie umgeben den Baron mit eifriger Hilfeleistung. Faninal kommt zur Türe links hereingestürzt, hinter ihm der Notar und der Schreiber, die in der Tür ängstlich stehenbleiben.

BARON
man hört seine Stimme, ohne viel von ihm zu sehen
Ich kann ein jedes Blut mit Ruhe fliessen sehen, nur bloss das meinig' nicht! Oh! Oh!
die Duenna anschreiend
So tu' Sie doch was G'scheit's, so rett' Sie doch mein Leben! Oh! Oh!

Sophie ist, wie sie ihres Vaters ansichtig wird, nach rechts vorne hingelaufen, steht neben Octavian, der nun seinen Degen einsteckt.

ANNINA
knicksend und eifrig zu Faninal links vorne
Der junge Kavalier und die Fräulein Braut, Gnaden, waren im Geheimen schon recht vertraut, Gnaden! Wir voller Eifer für'n Herrn Baron, Gnaden, haben sie betreten in aller Devotion, Gnaden!

MARIANNE
um den Baron beschäftigt
So ein fescher Herr! So ein gross' Malheur, so ein schwerer Schlag, so ein Unglückstag!

FANINAL
anfangs sprachlos, schlägt nun die Hände überm Kopf zusammen und bricht aus
Herr Schwiegersohn! Wie ist Ihm denn? mein Herr und Heiland! Dass Ihm in mein' Palais das hat passieren müssen! Gelaufen um den Medikus! Geflogen! Meine zehn teuren Pferd' zu Tod gehetzt! ja hat denn niemand von meiner Livree dazwischenfahren mögen! Füttr' ich dafür ein Schock baumlange Lackeln, dass mir solche Schand' passieren muss in meinem neuchen Stadtpalais!
gegen Octavian hin
Hätt' wohl von Euer Liebden eines andern Anstands mich versehn!

BARON
stöhnend
Oh! Ohl

FANINAL
abermals zu ihm hin
Oh! um das schöne freiherrliche Blut, was auf den Boden rinnt! O pfui! So eine ordinäre Metzgerei!

BARON
Hab' halt so ein jung und hitzig Blut, ist nicht zum Stillen! Oh!

FANINAL
auf Octavian losgehend, verbissen
War mir von Euer Liebden hochgräflichen Gegenwart allhier wahrhaftig einer andern Freud' gewärtig!

OCTAVIAN
höflich
Er muss mich pardonnieren. Bin ausser Massen sehr betrübt über den Vorfall. Bin aber ausser Schuld. Zu einer mehr gelegenen Zeit erfahren Euer Liebden wohl den Hergang aus Ihrer Fräulein Tochter Mund.

FANINAL
sich mühsam beherrschend
Da möcht' ich recht sehr bitten!

SOPHIE
entschlossen
Wie Sie befehlen, Vater. Werd' Ihnen alles sagen. Der Herr dort hat sich nicht so, wie er sollt', betragen.

FANINAL
zornig
Ei, von wem red't Sie da? Von Ihrem Herrn Zukünft'gen? Ich will nicht hoffen, wär' mir keine Manier.

SOPHIE
ruhig
Ist nicht der Fall. Seh' ihn mit nichten an dafür.

Der Arzt kommt, wird sogleich zum Baron geführt.

FANINAL
immer zorniger
Sieht ihn nicht an?

SOPHIE
Nicht mehr. Bitt' Sie dafür um gnädigen Pardon.

FANINAL
zuerst dumpf vor sich hin
Sieht ihn nicht an. Nicht mehr. Mich um Pardon. Liegt dort gestochen
höhnisch
Steht bei ihr. Der Junge.
ausbrechend
Blamage. Mir auseinander meine Eh', alle Neidhammeln von der Wieden und der Leimgrub'n auf! in der Höh! Der Medikus! Stirbt mir womöglich.
auf Sophie zu in höchster Wut
Sie heirat' ihn!
auf Octavian, indem der Respekt vor dem Grafen Rofrano seine Grobheit zu einer knirschenden Höflichkeit herabdämpft
Möcht Euer Liebden recht in aller Devotion gebeten haben, schleunig sich von hier zu retirieren und nimmer wieder zu erscheinen!
zu Sophie
Hör' Sie mich! Sie heirat' ihn! Und wenn er sich verbluten tät', so heirat' Sie ihn als Toter!

Der Arzt zeigt durch eine beruhigende Gebärde, dass der Verwundete sich in keiner Gefahr befindet. Octavian sucht nach seinem Hut, der unter die Füsse der Dienerschaft geraten war. Eine Magd überreicht ihm knicksend den Hut. Faninal macht Octavian eine Verbeugung, übertrieben höflich, aber unzweideutig. Octavian muss wohl gehen, möchte aber gar züi gerne Sophie noch ein Wort sagen. Er erwidert zunächst Faninals Verbeugung durch ein gleich tiefes Kompliment.

SOPHIE
beeilt sich das Folgende noch zu sagen, so lange Octavian es hören kann. Mit einer Reverenz
Heirat' den Herrn dort nicht lebendig und nicht tot! Sperr' mich zuvor in meine Kammer ein!

FANINAL
in Wut, und nachdem er abermals eine wütende Verbeugung gegen Octavian gemacht hat, die Octavian prompt erwidert
Ah! Sperrst dich ein. Sind Leut' genug im Haus, die dich in Wagen tragen werden.

SOPHIE
Spring' aus dem Wagen noch, der mich zur Kirche führt!

FANINAL
mit dem gleichen Spiel zwischen ihr und Octavian, der immer einen Schritt gegen den Ausgang tut, aber von Sophie in diesem Augenblick nicht los kann
Ah! Springst noch aus dem Wagen! Na, ich sitz' neben dir und werde dich schon halten!

SOPHIE
mit einem neuen Knicks
Geb' halt dem Pfarrer am Altar Nein anstatt ja zur Antwort!

Der Haushofmeister indessen macht die Leute abtreten. Die Bühne leert sich. Nur die Lerchenauschen Leute bleiben bei ihrem Herrn zurück.

FANINAL
mit gleichem Spiel
Ah! Gibst Nein anstatt ja zur Antwort. Ich steck'dich in ein Kloster stante pede! Marsch! Mir aus meinen Augen! Lieber heut als morgen! Auf Lebenszeit!

SOPHIE
erschrocken
Ich bitt' Sie um Pardon! Bin doch kein schlechtes Kind! Vergeben Sie mir nur dies eine Mal!

FANINAL
hält sich in Wut die Ohren zu
Auf Lebenszeit! Auf Lebenszeit!

OCTAVIAN
schnell, halblaut
Sei Sie nur ruhig, Liebste, um alles! Sie hört von mir 1

Duenna stösst Octavian, sich zu entfernen.

FANINAL
Auf Lebenszeit!

DUENNA
zieht Sophie mit sich
So geh' doch nur dem Vater aus den Augen!
zieht sie zur Türe hinaus, schliesst die Tür

FANINAL
eilt dem Baron entgegen
Bin überglücklich! Muss Euer Liebden embrassieren!

BARON
dem bei der Umarmung der Arm wehgetan
Oh! Oh! Jesus, Marial

FANINAL
nach rechts hin in neuer Wut
Luderei! Ins Kloster!
nach der Mitteltür
Ein Gefängnis! Auf Lebenszeit!

BARON
Is gut! Is gut! Ein Schluck von was zu trinken!

FANINAL
Ein Wein? Ein Bier? Ein Hippokras mit Ingwer?

DER ARZT
macht eine ängstlich abwehrende Bewegung

FANINAL
jammernd
So einen Herrn zurichten miserabel! In meinem Stadtpalais! Sie heirat' ihn um desto früher! Bin Manns genug'.

BARON
matt
Is gut, is gut!

FANINAL
nach der Tür links, in aufflammender Wut
Bin Manns genug!
zum Baron
Küss' Ihm die Hand für Seine Güt' und Nachsicht. Gehört all's Ihm im Haus. Ich lauf' - ich bring' Ihm -
nach links
ein Kloster ist zu gut!
zum Baron
Sei'n ausser Sorg'.
sehr devot
Weiss, was ich Satisfaktion Ihm schuldig bin.
Geht schnell ab. Desgleichen gehen Duenna und Mägde ab. Die beiden Italiener sind schon während des Obigen fortgeschlichen.

BARON
halb aufgerichtet
Da lieg'ich! Was einem Kavalier nit all's passieren kann in dieser Wiener Stadt! Wär' nicht mein Gusto hier - da ist eins gar zu sehr in Gottes Hand, wär' lieber daheim!

Ein Diener ist aufgetreten, eine Kanne Weines zu servieren.

BARON
will trinken, da macht er eine Bewegung, die ihm Schmerzen verursacht
Oh! Oh! Der Satan! Oh! Oh! Sakermentsverfluchter Bub', nit trocken hinterm Ohr und fuchtelt mit 'n Spadi!
in immer grösserer Wut
Wällischer Hundsbub' das! Dich sollt' ich nur erwischen. In Hundezwinger sperr' ich dich ein, bei meiner Seel', in Hühnerstall! In Schweinekofen! Tät'dich kuranzen! Sollst alle Engel singen hör'n!
zu dem Faninalschen Diener
Schenk' Er nur ein da, schnell!

DIE LERCHENAUSCHEN
gedämpft
Wenn ich dich erwisch', du liegst unterm Tisch. Wart, dich richt' ich zu, wällischer Filou!

Der Arzt schenkt ihm ein und präsentiert den Becher.

BARON
nachdem er getrunken, in allmählich besserer Laune
Und doch, muss lachen, wie sich so ein Loder mit seinen siebzehn Jahr die Welt imaginiert: meint, Gott weiss wie er mich kontreveniert. Haha! Umgekehrt ist auch gefahren! Möcht' um all's nicht, dass ich dem Mädel - sein rebellisch Aufbegehren nicht verspüret hätt'!
immer gemütlicher
Gibt auf der Welt nichts, was mich so enflammiert und also vehement verjüngt als wie ein rechter Trotz.

DIE LERCHENAUSCHEN
gedämpft
Wart', dich hau' i z'samm, wälfischer Filou! Wart', dich hau' i z'samm, dass dich Gott verdamm'!

BARON
zum Arzt gewandt
Herr Medicus, verfüg' Er sich voraus! Mach'Er dasBett aus lauterFederbetten. Ich komm'. Erst aber trink' ich noch. Marschier' Er nur indessen.

Der Arzt geht ab mit dem Leiblakai. Annina ist durch den Vorsaal hereingekommen und schleicht sich verstohlen heran, einen Brief in der Hand.

BARON
vor sich leise, den zweiten Becher leerend
Ein Federbett. Zwei Stunden noch zu Tisch. Werd' Zeitlang haben. »Ohne mich, ohne mich, jeder Tag dir so bang, mit mir, mit mir keine Nacht dir zu lang. «

Annina stellt sich so, dass der Baron sie sehen muss und winkt ihm geheimnisvoll mit dem Brief.

BARON
Für mich?

ANNINA
näher
Von der Bewussten.

BARON
Wer soll damit gemeint sein?

ANNTNA
ganz nahe
Nur eigenhändig, insgeheim zu übergeben.

BARON
Luft da!
Die Diener treten zurück, nehmen den Faninalschen ohne weiteres die Weinkanne ab und trinken sie leer.
Zeig' Sie den Wisch!
reisst mit der Linken den Brief auf. Versucht ihn zu lesen, indem er ihn sehr weit von sich weghält.
Such' Sie in meiner Tasch meine Brillen.
misstrauisch, da sie sich dazu anschickt
Nein! Such' Sie nicht! Kann Sie Geschriebenes lesen? Da.

ANNINA
nimmt und liest
»Herr Kavalier! Den morgigen Abend hätt' i frei. Sie ham mir schon g'fall'n, nur g'schamt hab' i mi vor der fürstli'n Gnade, weil i noch gar so jung bin. Das bewusste Mariandel, Kammerzofel und Verliebte. Wenn der Herr Kavalier den Nam' nit schon vergessen hat. I wart' auf Antwort. «

BARON
entzückt
Sie wart' auf Antwort. Geht all's recht am Schnürl so wie z'Haus und hat noch einen andern Schick dazu.
sehr l___ig
Ich hab' halt schon einmal ein Ierchenauisch Glück. Komm' Sie nach Tisch, geb' Ihr die Antwort nachher schriftlich.

ANNINA
Ganz zu Befehl, Herr Kavalier. Vergessen nicht die Botin?

BARON
sie überhörend, vor sich
»Ohne mich, ohne mich jeder Tag dir so lang. «

ANNINA
dringlicher
Vergessen nicht der Botin, Euer Gnad'n?

BARON
Schon gut.» Mit mir, mit mir keine Nacht dir zu lang. «

ANNINA
macht nochmals eine Gebärde des Geldforderns

BARON
Das später. Alls auf einmal. Dann zum Schluss. Sie wart' auf Antwort! Tret' Sie ab indessen. Schaff' Sie ein Schreibzeug in mein Zimmer hin dort drüben, dass ich die Antwort dann diktier'.

ANNINA
geht ab, nicht ohne mit einer drohenden Gebärde hinter des Barons Rücken angezeigt zu haben, dass sie sich bald für seinen Geiz rächen werde

BARON
tut noch einen letzten Schluck, er geht, von seinen Leuten begleitet, langsam und behaglich seinem Zimmer zu
»Mit mir, mit mir keine Nacht dir zu lang! «
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